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Prostataentzündung (chronisch) und Beckenbodenmyalgie
Chronische Prostataentzündung (chronische Prostatitis): Bakterielle Entzündung der Prostata mit Schmerzen und Beschwerden beim Wasserlassen über mehr als 3 Monate.
Chronisches Beckenschmerzsyndrom (abakterielle Prostataentzündung, chronisches pelvines Schmerzsyndrom, chronic pelvic pain syndrome CPPS): Schmerzen im Becken und Beschwerden beim Wasserlassen, die über 3 Monate anhalten und wobei im Gegensatz zur chronischen Prostataentzündung keine Erreger nachgewiesen werden können. Das CPPS wird in eine entzündliche und eine nicht-entzündliche Form (Beckenbodenmyalgie) eingeteilt.
Behandelt werden chronische Prostataentzündung und chronisches Beckenschmerzsyndrom mit Medikamenten, pflanzlichen Präparaten, physikalischen Maßnahmen und operativ. 60 % der betroffenen Männer werden innerhalb von 6 Monaten beschwerdefrei, die anderen zeigen variable Verläufe und zu etwa 20 % eine Chronifizierung ihres Leidens.
Symptome und Leitbeschwerden
- Wechselnd starke (fluktuierende) Schmerzen in der Genital-, Damm- und Analregion
- Manchmal gestörtes Wasserlassen, z. B. schwächerer Harnstrahl, Schmerzen, Gefühl, die Blase nicht vollständig entleeren zu können
- Abnahme des sexuellen Interesses und Störungen von Erektion und Ejakulation
- Schmerzen bei oder nach der Ejakulation.Unfruchtbarkeit.
Wann zum Arzt
In den nächsten Tagen, wenn
- oben genannte Beschwerden auftreten.
Die Erkrankungen
Chronische Prostataentzündung
Die chronisch bakterielle Prostataentzündung beruht auf einer Infektion mit Bakterien wie Enterobakterien, Chlamydien oder Ureaplasma. Sie ist oft Folge einer nicht vollständig ausgeheilten akuten Prostataentzündung. Wenn sich infiziertes Prostatasekret in den Prostatagängen sammelt, bilden sich leicht Prostatasteine, an denen Bakterien haften. Wahrscheinlich werden diese Bakterien nicht ausreichend von den Antibiotika erreicht und verursachen deshalb die Chronifizierung der Entzündung.
Chronisches Beckenschmerzsyndrom, CPPS
Beim chronischen Beckenschmerzsyndrom unterscheiden die Ärzte 2 Formen:
Entzündliches CPPS: Bei dieser auch inflammatorisch genannten Form gibt es trotz fehlendem Erregernachweis Hinweise auf ein entzündliches Geschehen in der Prostata. Hier vermutet man als Auslöser z. B. spezielle Bakterien, die mit den herkömmlichen Methoden nicht nachweisbar sind.
Beckenbodenmyalgie (nichtentzündliches CPPS): Hier gehen neuere Theorien davon aus, dass sie – zumindest teilweise – durch Muskelverspannungen (Tender Points) im Beckenbereich entsteht oder durch ein Schmerzsyndrom in der Nähe der Wirbelsäule. Dazu passt, dass sich kein krankhafter Befund an der Prostata ausmachen lässt. Auch psychische Veränderungen spielen bei diesem Krankheitsbild eine Rolle – ob sie aber die Ursache der oft sehr belastenden Beschwerden sind oder nicht vielmehr die Folge, lässt sich derzeit nicht eindeutig klären. Stress scheint immerhin zur Ausprägung einer Beckenbodenmyalgie beizutragen, denn die Beschwerden bessern sich, wenn der Patient Entspannungsverfahren praktiziert wie Yoga, Autogenes Training oder die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson.
Diagnosesicherung
Die Untersuchungen bei einer vermuteten chronischen Prostataentzündung sind umfangreich:
- Am Anfang stehen neben Anamnese und Prostata-Tastuntersuchung die Dreigläserprobe, um eine bakterielle Entzündung der Prostata ausschließen zu können, sowie der Bauchultraschall mit Restharnmessung und der transrektale Ultraschall
- Im zweiten Schritt folgen Harnstrahlmessung, Urodynamik und eine Röntgenaufnahme der Harnwege (Ausscheidungsurogramm)
- In manchen Fällen, insbesondere wenn diese Untersuchungen unklare Ergebnisse liefern, rät der Arzt gegebenenfalls zu Blasenspiegelung oder Enddarmspiegelung
- Anamnese und Prostata-Tastuntersuchung
- Dreigläserprobe, um eine eventuelle bakterielle Entzündung nachzuweisen. Bei der Dreigläserprobe uriniert der Patient nacheinander in 3 Gläser. Veränderungen wie Blutzellen oder Bakterien im ersten Glas geben Aufschluss über Prozesse in Harnröhre oder Harnblase, im 2. Glas über Harnleiter und Nierenbecken und im 3. Glas über Vorgänge in der Prostata. Inzwischen hat sich auch die Zweigläserprobe durchgesetzt, bei der Mittelstrahlurin und 10 ml Urin nach Prostatamassage gewonnen werden
- Bauchultraschall zur Bestimmung des Restharns (Urinmenge, die beim Wasserlassen in der Blase verbleibt) und transrektaler Ultraschall zur Beurteilung der Prostata
- Harnstrahlmessung, Urodynamik und eine Röntgenaufnahme der Harnwege (Ausscheidungsurogramm)
- In manchen Fällen, insbesondere wenn diese Untersuchungen unklare Ergebnisse liefern, rät der Arzt gegebenenfalls zu Blasenspiegelung oder Enddarmspiegelung.
Analog zur Reizblase bei der Frau ist die Diagnose der Beckenbodenmyalgie eine Ausschlussdiagnose. Der Arzt prüft zunächst, ob die Beschwerden des Patienten eine organische Ursache haben, ob also ein messbarer krankhafter Befund vorliegt wie z. B. Veränderungen im Enddarm. Erst wenn dies eindeutig nicht gegeben ist, wird er die Diagnose "Beckenbodenmyalgie" stellen.
Differenzialdiagnosen: Es gibt eine ganze Reihe von Erkrankungen, die ähnliche Symptome verursachen. Dazu gehören z. B. Harnröhrenentzündung und Harnblasenentzündung, Harnblasentumoren, Hämorrhoiden und Analfissur sowie Erkrankungen des Nervensystems und des Bewegungsapparates.
Behandlung
Chronisch bakterielle Prostataentzündung. Um die chronische bakterielle Entzündung zu heilen, verschreibt der Arzt ein Antibiotikum, das über 4 bis 6 Wochen eingenommen werden muss. Gegen die Schmerzen helfen Antirheumatika wie z. B. Diclofenac, bei Problemen mit dem Wasserlassen Alphablocker wie Tamsulosin.
Chronisches Beckenschmerzsyndrom, entzündliche Form. Sie steht zwischen der chronisch bakteriellen Prostataentzündung und der Beckenbodenmyalgie. Zumindest zu Beginn der Erkrankung kann der Arzt eine bakterielle Beteiligung nicht sicher ausschließen, weshalb auch hier ein Behandlungsversuch mit einem Antibiotikum über 2 bis 6 Wochen gerechtfertigt ist. Sollte dies die Beschwerden des Patienten mindern, wird die Antibiotikatherapie für weitere vier bis sechs Wochen fortgesetzt. Wenn alle möglichen Therapieansätze nicht helfen, kann bei starken Beschwerden und nachgewiesener Entzündung eine transurethrale Mikrowellenbehandlung der Prostata (TUMT), in einigen Fällen die Transurethrale Resektion der Prostata (TUR-P) zur Beschwerdefreiheit führen.
Beckenbodenmyalgie. Die Behandlung ist insgesamt langwierig, da jeder Patient unterschiedlich schnell und gut auf die Therapie anspricht. Wichtig ist deshalb, dass Arzt und Patient ausreichend Geduld aufbringen. Da gesicherte Erkenntnisse und einheitliche Behandlungsstandards fehlen, geht jeder Arzt das Problem auf seine Art an. Allen gemeinsam ist jedoch, dass verschiedene Therapieansätze erprobt werden – in der Hoffnung, dass irgendwann eine der Therapiemöglichkeiten die erhoffte Linderung der Beschwerden bringt. Die folgende Zusammenstellung ist deshalb weder vollständig noch allgemein verbindlich:
- Ist der Urinstrahl abgeschwächt oder muss der Patient häufig Wasserlassen, helfen eventuell ähnliche Medikamente wie bei der Prostatavergrößerung, nämlich pflanzliche Mittel wie z. B. Prostagutt®, oder Alpharezeptorenblocker wie Alna® oder Omnic® – letztere vor allem, wenn ein verengter Blasenauslass (Blasenhalsenge) vorliegt. Auch 5-Alpha-Reduktasehemmer wie Finasterid können die Beschwerden lindern.
- Steht der Harndrang im Vordergrund, so wird der Arzt ein anticholinerges Medikament wie z. B. Mictonorm® oder Spasmex® empfehlen.
- Blasenbeschwerden bessern sich bei manchen Patienten durch die Einnahme von Antidepressiva, weil diese Medikamente auch auf den Blasenschließmuskel einwirken.
- Beckenschmerzen lassen sich durch entzündungshemmende NSAR oder ein Muskelrelaxans (z. B. Lioresal®) zur Entspannung der Muskeln lindern.
- Treten die Beschwerden vermehrt bei Kälte auf, hilft Wärme – oft genügt ein warmes Bad.
- Die Beschwerden bessern sich oft auch nach wiederholten Prostatamassagen, vermutlich über einen dadurch verbesserten "Abfluss" von z. B. entzündungsauslösenden Substanzen.
- Steht die psychische Problematik im Vordergrund, empfiehlt sich grundsätzlich eine Psychotherapie.
- Transurethrale Mikrowellentherapie (TUMT) und die Injektion von Botulinumtoxin A zeigten in verschiedenen Studien Behandlungserfolge.
- Aussichtsreich, aber noch im experimentellen Stadium, ist der Einsatz von Stoßwellen (ESWL).
Prognose
- 60 % der Patienten mit einer chronischen Prostataentzündung oder CPPS werden innerhalb von 6 Monaten nach Beginn ihrer Probleme wieder beschwerdefrei. Bei 20 % bleiben die Beschwerden auf Dauer bestehen, bei den restlichen Patienten treten sie in intervallartigen Krankheitsschüben auf. Die Beschwerden bessern sich oft auch nach wiederholten Prostatamassagen, vermutlich über einen dadurch verbesserten "Abfluss" von z. B. entzündungsauslösenden Substanzen.
Ihr Apotheker empfiehlt
- Was Sie selbst tun können
Um ein erneutes Aufflammen der Beschwerden zu vermeiden, gilt es, einige Regeln zu beachten:
Kältereize vermeiden. Jede Auskühlung im Beckenbereich ist ein starker neuer Entzündungsreiz: Tauschen Sie deshalb z. B. sofort nach dem Schwimmen eine nasse gegen eine trockene Badehose aus, vermeiden Sie kalte Sitzgelegenheiten und Zugluft und sorgen Sie dafür, dass Sie keine kalten Füße bekommen.
Mechanische Reize minimieren. Auch starke mechanische Belastungen des Beckenbodens provozieren neue Entzündungen. Besonders ungünstig sind Radfahren und Reiten. Sie sollten zumindest in Zeiten von Beschwerden vollständig gemieden und auch nach Abklingen der Beschwerden nicht exzessiv betrieben werden. Bei immer wieder auftretenden Beschwerden sollten Sie ganz darauf verzichten.
Sexualtoilette. Häufige Masturbationen sind sinnvoll, um einen die Entzündung aufrechterhaltenden Sekretstau in den Samenleitern und der Samenblase zu verhindern. Beim Geschlechtsverkehr sind Kondome zu verwenden, um die/ den Partner/in zu schützen.
Komplementärmedizin
Entsprechend der Vielfalt ärztlicher Behandlungsansätze bietet auch die Komplementärmedizin eine reiche Auswahl an Therapiemöglichkeiten. Alle hier genannten Behandlungen haben sich bei Betroffenen bewährt. Trotzdem sollten Sie in Ihren Erwartungen realistisch bleiben: Je länger Ihre Beschwerden bereits bestehen, desto weniger Erfolg versprechend werden die Behandlungsergebnisse sein. Im Einzelnen werden in der Fachliteratur empfohlen:
- Biofeedback über eine Rektalsonde hilft, Ihr Gespür für Ihren Beckenboden zu verbessern. Über Lichtsignale kontrollieren Sie, ob Sie Ihren Beckenboden ausreichend anspannen bzw. entspannen, um ihn so schrittweise zu stärken.
- Eine Akupunkturbehandlung, die auf die Punkte des Konzeptionsgefäßes am Unterbauch abgestimmt ist, lindert oft die Beschwerden.
- Heiße Sitzbäder, eventuell mit Moorzusatz, lindern häufig die Beschwerden.
- Weitere Therapien wie die manuelle Lockerung schmerzhafter Triggerpunkte sind Erfolg versprechend.
- Verschiedene Homöopathika beeinflussen einzelne Beschwerden, so Pulsatilla den häufigen Harndrang oder Clematis stechende Schmerzen in der Prostata.
- Vor allem bei der entzündlichen Form wirken Enzyme wie Wobenzym® oder Phlogenzym®, wenn sie über mehrere Wochen eingenommen werden.
Weiterführende Informationen
Walter Merkle: Der chronische Beckenbodenschmerz. Steinkopff, 2007. Beleuchtet das Krankheitsbild interdisziplinär aus Sicht des Urologen, des Schmerztherapeuten, der Psychosomatik, der Proktologie (beschäftigt sich mit Erkrankungen des Enddarms) und der Gynäkologie. Für Ärzte geschrieben, für Betroffene dennoch sehr nützlich.
09.03.2020 | Dr. med. Martina Sticker, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski ; Bildrechte: Anut21ngPhoto/Shutterstock.com