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Antiphospholipid-Syndrom
Antiphospholipidsyndrom (APS, Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom): Autoimmunerkrankung mit erhöhter Gerinnungsneigung, die zu wiederkehrenden Thrombosen und Embolien führt, bei Schwangeren auch zu Fehlgeburten. Auslöser sind die im Blut nachweisbaren Antiphospholipid-Antikörper. Frauen erkranken fünfmal häufiger als Männer, oft im mittleren Lebensalter. Der Verlauf der Erkrankung ist variabel, angefangen von einer einmaligen geringfügigen Venenthrombose bis hin zu tödlichen Lungenembolien oder Schlaganfällen. Behandelt wird das APS vor allem mit gerinnungshemmenden Medikamenten. Unter einer gut eingestellten Therapie ist die Lebenserwartung annähernd normal.
Symptome und Leitbeschwerden
- Schwellung eines Beins mit ziehendem Schmerz (tiefe Beinvenenthrombose)
- Plötzliche Atemnot mit stechendem atemabhängigem Schmerz in der Brust (Lungenembolie)
- Plötzliche Lähmung einer Körperseite oder Sprachstörungen bei jungen Menschen (Schlaganfall)
- Baumartig verzweigte bläuliche Hautzeichnung, kleine Einblutungen unter den Finger- oder Zehennägeln
- Wiederholte Spontanaborte vor der 12. Schwangerschaftswoche oder Fehlgeburten in den letzten beiden Dritteln der Schwangerschaft.
Wann in die Arztpraxis
Sofort den Notdienst rufen bei
- plötzlicher Lähmung, Sprachstörungen, plötzlicher Atemnot mit stechenden Brustschmerzen.
Am gleichen Tag bei
- Schwellung eines Beines mit ziehenden Schmerzen.
Demnächst, wenn
- ein Kinderwunsch besteht und es zu einer oder mehreren Fehlgeburten gekommen ist
- bläuliche Gefäßzeichnungen auf der Haut auftreten.
Die Erkrankung
Beim Antiphospholipid-Syndrom handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Das heißt, dass der Körper Antikörper gegen eigene Strukturen bildet. Im Fall des APS sind dies Antikörper gegen Phospholipide.
Noch unklar ist, warum diese Antikörper zur Bildung von Blutgerinnseln führen. Man vermutet, dass sie u. a. mit einem Eiweiß reagieren, das an der Blutgerinnung beteiligt ist. Wenn die Gerinnsel Blutgefäße verschließen, kommt es zu Thrombosen und Embolien. Ist eine Frau schwanger, können die Gerinnsel die Blutversorgung der Plazenta stören und so eine Fehlgeburt auslösen.
Ursachen und Formen
Auch die Frage, warum und wie sich die Antiphospholipid-Antikörper im Körper bilden, ist noch nicht geklärt. In manchen Fällen scheint eine andere Krankheit der Auslöser dafür zu sein, dann handelt es sich um ein sekundäres APS. Am häufigsten ist das beim systemischen Lupus erythematodes der Fall. Aber auch Patient*innen mit einer rheumatoiden Arthritis, Krebserkrankung oder einer Infektion wie Hepatitis B oder AIDS können ein sekundäres APS entwickeln. Manchmal lösen Medikamente die Antikörperbildung aus, Beispiele sind Östrogene und Chlopromazin.
Bei der Hälfte aller Patient*innen lässt sich keine zugrundeliegende Erkrankung finden. Dann spricht man von einem primären, idiopathischen APS.
Klinik
Thrombosen können beim APS sowohl in Venen als auch in Arterien auftreten. Am häufigsten sind Beinvenenthrombosen und Lungenembolien, seltener bilden sich Venenthrombosen in Armen, Nieren, Leber und den Augenvenen. Durch die Thrombosen werden die Organe in ihrer Funktion eingeschränkt, es kommt zum Beispiel zu Nieren- oder Leberversagen, im Fall des Auges zu Sehstörungen bis hin zur Blindheit.
Arterielle Thrombosen entstehen vor allem in den Arterien des Gehirns und führen zu Schlaganfällen, selten auch zu Krampfanfällen, Migräne oder Demenz.
Eine weitere schwerwiegende Folge der erhöhten Thromboseneigung ist die Verstopfung der Gefäße, die in der Schwangerschaft die Plazenta versorgen. Dadurch kommt es vermehrt zu Schwangerschaftskomplikationen wie Fehlgeburten, Frühgeburten und Präeklampsie.
Komplikationen
Eine besonders gefährliche Komplikation ist das katastrophale APS, kurz CAPS genannt. Es tritt bei etwa 1 % der APS-Patient*innen auf und ist lebensbedrohlich. Dabei entstehen innerhalb kürzester Zeit massenhaft Thrombosen in mehreren Organsystemen (vor allem Lunge, Herz und Niere). Die betroffenen Organe werden nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt und arbeiten nicht mehr richtig. Weil sich an den falschen Stellen Blutgerinnsel bilden, erschöpft sich außerdem das Gerinnungssystem. Es hat nicht mehr genug Kapazität für die physiologische Blutgerinnung und es drohen innere Blutungen. Dies und das Multiorganversagen führen trotz Intensivtherapie in jedem dritten Fall zum Tod.
Diagnosesicherung
Wenn aufgrund von Thrombosen oder Schwangerschaftskomplikationen der Verdacht auf ein APS besteht, lässt die Ärzt*in im Labor verschiedene Blutgerinnungswerte und das Blutbild untersuchen. Verdächtig sind eine Thrombozytopenie (also wenige Blutplättchen) und, als Hinweis auf die gestörte Blutgerinnung, ein verminderter Quick-Wert und eine verlängerte PTT (partielle Thromboplastinzeit).
Beweisend für das APS ist der Nachweis mindestens eines der drei im Blut vorkommenden Antiphospholipid-Antikörper:
- Lupus-Antikoagulans
- Anti-Cardiolipin-Antikörper
- Anti-β2-Glykoprotein-I-Antikörper.
Weil deren Bestimmung störanfällig ist, gibt es für die Diagnose strenge Kriterien. So müssen die Antikörper im Abstand von zwölf Wochen mindestens zwei Mal positiv sein. Außerdem sollen verschiedene Testsysteme verwendet werden.
Differenzialdiagnose. Auszuschließen sind bei der Diagnose alle anderen Krankheitsbilder, die mit einer vermehrten Gerinnung verbunden sind. Dazu gehören der Mangel an Faktor II, Antithrombin III oder Protein S. Auch Krebs- und Nierenerkrankungen oder die Homocysteinämie können mit einer vermehrten Gerinnung einhergehen. Thrombosefördernd sind zudem Hormoneinnahmen (z. B. im Rahmen der Verhütung) oder das Rauchen.
Behandlung
Bei der Behandlung muss zwischen einem akuten Ereignis und der Vorbeugung von Thrombosen und Schwangerschaftskomplikationen unterschieden werden. Akute Beinvenenthrombosen, Schlaganfälle oder Herzinfarkte werden entsprechend therapiert (siehe dort).
Ob und welche gerinnungshemmende Therapie APS-Patient*innen vorbeugend benötigen, hängt nicht nur von den Antikörperwerten ab. Ein wichtiges Kriterium ist auch, ob schon eine arterielle oder venöse Thrombose stattgefunden hat oder ob es zu Schwangerschaftskomplikationen gekommen ist.
Primärprophylaxe. Bei manchen Patient*innen werden im Rahmen anderer Blutuntersuchungen zufällig Antiphospholipid-Antikörper gefunden, klinische Ereignisse wie Thrombose oder Fehlgeburt haben sie jedoch (noch) nicht erlebt. Ob diese Antikörperträger*innen eine vorbeugende gerinnungshemmende Therapie benötigen, ist umstritten. Wenn, dann verordnen die Ärzt*innen meist niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS). Zusätzlich hilft ein gesunder Lebensstil, um weitere thrombosefördernde Risikofaktoren zu reduzieren (siehe unten, Ihre Apotheke empfiehlt).
Sekundärprophylaxe. Nach jedem APS-bedingten Ereignis empfehlen die Leitlinien eine Sekundärprophylaxe mit einer gerinnungshemmenden Therapie. Sekundärprophylaxe bedeutet, nach einem stattgehabten Ereignis das nächste zu verhüten. Diese Vorbeugung wird an das Rezidivrisiko und die jeweilige Thrombose angepasst. Ein besonders hohes Risiko für ein erneutes Ereignis haben z. B. triple-positive Patient*innen. Das sind diejenigen, die alle drei Antiphospholipid-Antikörper im Blut aufweisen.
Nach einer Thrombose kommt meist eine dauerhafte Blutgerinnungshemmung mit einem Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Phenprocoumon oder Warfarin) zum Einsatz. Ob der Gerinnungshemmer abgesetzt werden kann, wenn im Blut keine Antiphospholipid-Antikörper mehr nachweisbar sind, ist umstritten. Im Zweifel entscheidet die Ärzt*in dies gemeinsam mit der Patient*in nach dem individuellen Risikoprofil.
Im Spezialfall einer arteriellen Thrombose verordnen die Ärzt*innen häufig zusätzlich ASS.
Hinweis: Die zur Gerinnungshemmung ebenfalls eingesetzten direkten Antikoagulantien (DOAK, z. B. Dabigatran) sollen bei APS-Patient*innen nicht verwendet werden. Sie scheinen das Auftreten von thromboembolischen Ereignissen zu begünstigen.
Prophylaxe in der Schwangerschaft
Schwangere APS-Patientinnen haben ein hohes Risiko, Fehlgeburten oder eine Präeklampsie zu erleiden. Um diesen Schwangerschaftskomplikationen vorzubeugen, benötigen sie eine zuverlässige Blutgerinnungshemmung.
Vitamin-K-Antagonisten sind dafür nicht geeignet. Weil sie teratogen sind, also dem ungeborenen Kind schaden, dürfen sie weder kurz vor noch während einer Schwangerschaft verabreicht werden. Stattdessen empfiehlt man APS-Patientinnen mit Kinderwunsch zunächst ASS. Kommt es zu einer Schwangerschaft, erhält die werdende Mutter zusätzlich Heparin. Der Gerinnungshemmer muss bis zur sechsten Woche nach der Geburt täglich unter die Haut gespritzt werden.
APS-Expert*innen empfehlen ihren schwangeren Patientinnen meist, zusätzlich zur Vorbeugung mit Heparin auch ASS weiter einzunehmen. Allerdings nur über die ersten zwei Schwangerschaftsdrittel hinweg. Danach muss der Wirkstoff abgesetzt werden, weil er zum vorzeitigen Verschluss einer wichtigen Gefäßverbindung zwischen Aorta und Lungenschlagader des ungeborenen Kindes (Ductus botalli) führen kann.
Prognose
Unter Behandlung ist die Prognose gut und die Lebenserwartung des primären APS kaum verkürzt. Bei den sekundären Formen kommt es darauf an, welche Grunderkrankung vorliegt.
Ihre Apotheke empfiehlt
Was Sie selbst tun können
Gerinnungshemmer richtig einsetzen. Damit die Blutgerinnung zuverlässig gehemmt wird, müssen die Vitamin-K-Antagonisten täglich zur gleichen Zeit eingenommen werden. Auch die wöchentliche Kontrolle des Gerinnungswertes ist wichtig. Den sog. INR (International Normalized Ratio)-Wert kann man mit einem kleinen Messgerät und etwas Blut aus der Fingerbeere gut selbst bestimmen. Liegt er außerhalb des therapeutischen Bereichs, nimmt man Kontakt mit der Hausärzt*in auf, um die Dosierung gegebenenfalls anzupassen.
Ernährung beachten. Viele Nahrungsmittel enthalten Vitamin K und können deshalb die Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten abschwächen. Dazu gehören z. B. Spinat, Brokkoli, Kichererbsen, Fenchel, Schnittlauch und Erbsen. Verzichten muss man deshalb auf das Gemüse nicht – man sollte jedoch jede Woche ungefähr die gleiche Menge davon zu sich nehmen. Bedacht werden muss zudem, dass die Wirkung der Vitamin-K-Antagonisten von Alkohol verstärkt und von Grapefruitsaft geschwächt werden kann.
Bewegen und Gewicht kontrollieren. Es gibt einige Maßnahmen, mit denen man selbst Thrombosen vorbeugen kann. Zur Sicherheit bespricht man sich jedoch vorher mit seiner Hausärzt*in, denn nicht alle sind für jede geeignet. Bewegung ist wichtig, um das Blut in Schwung zu bringen, günstig sind vor allem Radfahren, Schwimmen und Spazierengehen. Auch Treppensteigen statt Liftfahren freut die Beinvenen. Außerdem sollte man Übergewicht vermeiden bzw. reduzieren und ausreichend trinken. Wer im Beruf viel stehen muss, dem helfen oft Thrombosestrümpfe.
26.07.2023 | Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski ; Bildrechte: mauritius images / Alina Buzunova / Alamy / Alamy Stock Photos